Bundesfreiwilligendienst mit 63 Jahren

Christine Ziesecke

Helmut Weckesser möchte damit einen „sanften Ausklang ins Rentnerdasein“ erreichen.

Freiwillige Dienste an den Mitmenschen gibt es immer schon, in den letzten Jahrzehnten auch in Rahmenbedingungen gefasst und öffentlich gefördert. Zu den Zivildienstleistenden und den Mitarbeitenden im Freiwilligen sozialen (oder auch ökologischen oder kulturellen) Jahr – besser bekannt als Zivis oder FSJler - kamen 2011, nach der Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des alternativen Zivildienstes, die Menschen, die sich im Bundesfreiwilligendienst engagieren (kurz BFDler oder auch BuFDis genannt) – für das Allgemeinwohl, vor allem im sozialen, ökologischen oder kulturellen Bereich, bei Sport oder Integration. Zu diesen Arbeitsfeldern zählen auch die Kirchen, die in den letzten Jahren ausschließlich BFDler zugewiesen bekommen können. Seither haben auch die zunächst beiden evangelischen Kirchengemeinden, die nun zu einer verschmolzen sind, BFDler beschäftigt – anfangs in jeder der beiden Kirchengemeinden einen oder auch eine, denn auch Frauen sind hier gefragt, alle nabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit; zuletzt aus Mangel an Bewerbungen stets einen. Seit September letzten Jahres war Lukas Bulick als Freiwilligendienstler zwischen den beiden Gemeindehäusern in der Wagnerstraße in Urberach und der Rathenaustraße in Ober-Roden unterwegs, zwischen Weidenkirche und Fahrdiensten zu Ärzten oder zu Veranstaltungen, mit dem gelben Gemeindebus, dem neuen E-Auto oder auch mal dem Lastenfahrrad. Noch 19 Jahre jung, kam er direkt nach dem Abitur und hat die Zeit genutzt, bis er nun im September mit dem dualen Studium der Wirtschaftsinformatik in Wiesbaden und Frankfurt beginnen wird. 19 oder 20 Jahre, so waren sie alle etwa, die in den Jahren zuvor (seit der Gitarrist Ali Neander in den 80er Jahren in der Ev. Kirchengemeinde Ober-Roden einer der allerersten Zivis war) begonnen haben. Bis jetzt. Mit 63 Jahren ist Helmut Weckesser nun ein Novum in der Gemeindehistorie.

1961 wurde der waschechte Orwischer hier geboren; bei der Urberacher Firma Kreis machte er seine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Lange Jahre arbeitete er in der Telekommunikations-Elektronik (drum sind ihm Kopierer, Drucker und alle Geräte dieser Art auch – zum Glück für die Kirchengemeinde - sehr vertraut), ehe er 2017 zur Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie in Dieburg wechselte als „Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung“, um integrativ Menschen als Gruppenleiter auf den Einstieg in den 1. Arbeitsmarkt vorzubereiten. Bis er vor einiger Zeit auf die Idee kam, sich über andere Möglichkeiten zu informieren und feststellte, dass Menschen im Bundesfreiwilligendienst „potentiell alle Personen nach Abschluss der Vollzeitschulpflicht und ohne Altersgrenze nach oben“ sein können.

Wie kam er zu dieser sehr ungewöhnlichen Idee, eine jahrelange feste Anstellung für einen Job aufzugeben, der nicht mehr als ein Taschengeld einbringt?

„Es war ein sehr anspruchsvoller Job, der sehr anstrengend weit über die tägliche Arbeit hinaus ist, denn die Menschen dort haben viele und ganz andere Probleme als andere Mitbürger. Die große Belastung wurde mir langsam zu viel.“ Jetzt aber sieht er das freiwillige Jahr als gute Möglichkeit an, „etwas sanfter in den Ruhestand hineinzugleiten“, mit einer sinnvollen, aber psychisch weniger anstrengenden Aufgabe, „und kann hoffentlich in der Gemeinschaft hier etwas Gutes tun.“

Helmut Weckesser ist weithin bekannt: seit Jahren spielt er Trompete in den evangelischen Posaunenchören (und auch noch im Alphorn-Trio); seit langem singt er im Rejoice-Chor, auch Soli, und erlebt gerade über den Chor viele Kirchentage direkt hautnah. Ursprünglich war er katholisch, war auch Mitglied im Pfarrgemeinderat. Doch zu Zeiten von Sonja Mattes als Urberacher Pfarrerin wechselte er die Seiten und wurde evangelisch.

Chrsitine Ziesecke